Der ARZNEIMITTELBRIEF zur Krise der Antibiotikaresistenz
Dr. Alexander von Paleske ----- 9.4. 2013 ----
Der Arzneimittelbrief (AMB) ist eine medizinische Fachzeitschrift, die sich vor allem mit Wirkungen und unerwünschten Nebenwirkungen von Arzneimitteln beschäftigt. Der AMB erscheint monatlich, enthält keinerlei Werbung, und wird seit 1967 von klinisch und pharmakologisch erfahrenen Ärzten herausgegeben, die sich dem Ziel verpflichtet fühlen, Arzneimittel rational einzusetzen, und deren Einsatz kritisch zu hinterfragen.
Rarität im medizinischen Blätterwald
Eher eine Rarität angesichts der Fülle von medizinischen
Zeitschriften, die oftmals nicht nur von Werbumg strotzen sondern deren Artkel nicht selten nach der Devise redigiert werden: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“
Herausgeber des AMB sind:
- der Berliner Nephrologe Dr. Dietrich von Herrath, Mitglied des Fortbildungsausschusses der Ärztekammer Berlin
- der Berliner Hämatologe und Onkologe Prof. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
Ich habe den AMB seit 1979 abonniert, und viele nützliche Informationen daraus gewonnen.
In der neuesten Ausgabe des AMB (März 2013) findet sich ein Leitartikel, der sich ausführlich mit der zunehmenden Antibiotikaresistenz von Bakterien und deren Ursachen beschäftigt:
Infektionen mit Antibiotika-resistenten Gram-negativen Bakterien nehmen zu – die Rolle der Umwelt.
AMB März 2013
In der Zusammenfassung heisst es:
- Der übermässige Gebrauch von Antibiotika in der Medizin und in der Massentierhaltung hat besonders bei gram-negativen Bakterien zu komplexen Resistenzen geführt, die sich rasch verbreiten.
- Hierbei spielt der Austausch mobiler, Resistenzinformationen tragender Gene von Bakterium zu Bakterium (hotizontaler Austausch) eine entscheidende Rolle.
- Diese spezielle Form der Resistenzentwicklung findet in unserer Umwelt zunehmend dort statt, wo Bakterien aus medizinischen Einrichtungen und aus der Massentierhaltung mit anderen Bakterien zusammentreffen, z.B. in Kläranlagen und Gewässern.
- Insbesondere die ESBL (Extended Spectrum Betalactamases ) und die Carbapenem-Resistenzen sind auf diesem Weg entstanden. Infektionen mit diesen Erregern nehmen zu und sind zum Teil schwer zu behandeln.
- Immer wieder neue (und teure) Antibiotika zu entwickeln wird diese Probleme letztlich nicht verringern. Es muss auch Einfluss auf die ökologische Gesamtsituation genommen werden.
Selbst World Economic Forum warnt
Vom World Economic Forum - nicht zu verwechseln mit dem World Health Summit, den wir gerade einer massiven Kritik unterzogen haben - werden die durch resistente Bakterien verursachten Infektionen mittlerweile als eines der grössten Gesundheitsrisiken der Zukunft eingestuft.
Von da an ging’s bergab
Seit 2004 kommt es zu einem dramatischen Anstieg dieser Infektionen.
Infektionen durch ESBL-enthaltende E-Coli-Bakterien sind von deutlich unter 10% im Jahre 2004 auf 11,6% im Jahre 2008 angestiegen, ESBL enthaltende Klebsiellen gar auf 17%.
Tendenz: Weiter zügig aufwärts. Siehe hier und hier.
Reistente Klebsiellen waren auch für Infektionen und Todesfälle auf Neugeborenen-Stationen in Bremen, Berlin und Leipzig verantwortlich.
Zurück in die Nahrungskette
Antibiotika, insbesondere wenn sie nur langsam abgebaut werden, gelangen über die Abwässer und die Düngung von Feldern wieder in die Nahrungskette.
Nicht besser sieht es bei Fischen aus, die mit Abwässern in Berührung kamen, oder – häufiger – in Fischfarmen mit Antibiotika gefüttert werden.
Jährlich tonnenweise Antibiotika
In Grossbritannien wurden in den Jahren 2006 bis 2011 jährlich bis zu 400 Tonnen Antibiotika in der Tierzucht verbraucht (in Deutschland sind es 1760 Tonnen insgesamt in der Veterinärmedizin pro Jahr, der grösste Teil in der Massentierhaltung) .
Davon tauchen rund 15% als Dünger oder durch Beregnung mit Abwässern wieder auf den Feldern auf, und gelangen so in die Nahrungskette.
Auch unter dem Selektionsdruck resistent gewordene Bakterien tauchen in den Nahrungsmitteln auf, die diese Resistenz-Info im Darmtrakt der Konsumenten dann an dort befindliche fakultativ pathogene Keime weiterreichen.
Dies gilt insbesondere für Geflügel aus der Massentierhaltung
Vorschläge zur Schadensminderung
Der Artikel im Arzneimittelbrief beschränkt sich jedoch nicht nur darauf, dieses Horrorszenario aufzuzeigen, sondern macht gleichzeitig Vorschläge, wie diese Umweltbelastung deutlich vermindert werden kann.
Bei der Abwasserbehandlung:
- durch besondere Entsorgung der Krankenhausabwässer
- Reduktion der mikrobiellen Kontamination durch neue Technologien. z.B. UV-Behandlung
- durch Membran und Ozontechnologie zur Entfernung von Arzneimitteln aus dem Abwasser
In der Landwirtschaft
- durch Reduktion des Antibiotikaverbrauchs in der Nutztierhaltung
- durch Vermeidung von Massentierhaltung
- durch eine Viehhaltung in genügendem Abstand zu Fliessgewässern
- durch Vermeidung bzw. Verminderung der Düngung der Felder mit Fäkalien von Mensch und Tier
- durch besondere Behandlung des Abwassers aus der Viehhaltung
In der Medizin und Veterinärmedizin:
- durch zielgerichteten und reduzierten Einsatz von Antibiotika
- durch Verwendung von leicht abbaubaren Antibiotika
- durch Entwicklung von Alternativen zur Antibiotikatherapie.
Dieser AMB-Artikel ist wesentlich präziser als der Bericht Professor Ansgar Lohses vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Sprecher der Arbeitsgruppe „Infektionsforschung und Gesellschaft“.
Mehr noch, er fordert mit Vorschlägen zum unverzüglichen Handeln auf, da die Zeit drängt-
Grossbritannien: Gefahr der Antibiotikaresistenz vergleichbar mit Terrorismusgefahr und Gefahr der Klimaveränderung
Deutsche Spitzenforscher: Späte Warnung vor Antibiotikaresistenz und unzureichende Vorschläge
Die Zukunft heisst Resistenz? – Antiinfektiva verlieren ihre Wirksamkeit
Neue schlechte Nachrichten zur bakteriellen Resistenz gegen Antibiotika
Putenlaster-Unfall, kranke Puten und grüne Stellungnahmen zu schwarzer Zukunft
Erst Bremen, jetzt Leipzig – Die Antibiotikaresistenz breitet sich aus
Zwei Schreckensmeldungen zur Antibiotika-Verfütterung in der Massentierhaltung
Frühchentod und Antibiotikaresistenz
Antibiotikaresistenz: Nach Pest, Tripper, MRSA, NDM-1, TB, Campylobacter nun die Salmonellen
Bleibt die Gonorrhoe (Tripper) behandelbar?
Antibiotika-Resistenz: Spätes Erwachen. Oder: Minister Bahrs Wort zum Sonntag
WHO, Weltgesundheitstag und Antibiotikaresistenz - eine Nachbemerkung
Pest-Seuche und Antibiotika-Resistenz
Antibiotika oder Massentierhaltung?
Der Dioxin-Skandal flaut ab, die Probleme der Massentierhaltung bleiben
Hilflos bei Infektionen - Antibiotika verlieren ihre Wirksamkeit
Tierfabriken, Schweineviren und die Zukunft
Bittere Pillen für die Dritte Welt
Eine besiegt geglaubte Krankheit droht wieder zur unkontrollierbaren Seuche zu werden
Welt-Tuberkulose Tag - eine Krankheit weiter auf dem Vormarsch</
Tuberkulose und die Krise bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO): Kein Nachlassen der Schreckensmeldungen
Zur Ministerin Aigner
Will Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner uns für dumm verkaufen? – Ein Kommentar zur geplanten Reform des Tierarzneirechts
Verband zur Förderung der Massentierhaltung Deutschlands (VEFMAD) dankt der Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner
Der Arzneimittelbrief (AMB) ist eine medizinische Fachzeitschrift, die sich vor allem mit Wirkungen und unerwünschten Nebenwirkungen von Arzneimitteln beschäftigt. Der AMB erscheint monatlich, enthält keinerlei Werbung, und wird seit 1967 von klinisch und pharmakologisch erfahrenen Ärzten herausgegeben, die sich dem Ziel verpflichtet fühlen, Arzneimittel rational einzusetzen, und deren Einsatz kritisch zu hinterfragen.
Rarität im medizinischen Blätterwald
Eher eine Rarität angesichts der Fülle von medizinischen
Zeitschriften, die oftmals nicht nur von Werbumg strotzen sondern deren Artkel nicht selten nach der Devise redigiert werden: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“
Herausgeber des AMB sind:
- der Berliner Nephrologe Dr. Dietrich von Herrath, Mitglied des Fortbildungsausschusses der Ärztekammer Berlin
- der Berliner Hämatologe und Onkologe Prof. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
Ich habe den AMB seit 1979 abonniert, und viele nützliche Informationen daraus gewonnen.
In der neuesten Ausgabe des AMB (März 2013) findet sich ein Leitartikel, der sich ausführlich mit der zunehmenden Antibiotikaresistenz von Bakterien und deren Ursachen beschäftigt:
Infektionen mit Antibiotika-resistenten Gram-negativen Bakterien nehmen zu – die Rolle der Umwelt.
AMB März 2013
In der Zusammenfassung heisst es:
- Der übermässige Gebrauch von Antibiotika in der Medizin und in der Massentierhaltung hat besonders bei gram-negativen Bakterien zu komplexen Resistenzen geführt, die sich rasch verbreiten.
- Hierbei spielt der Austausch mobiler, Resistenzinformationen tragender Gene von Bakterium zu Bakterium (hotizontaler Austausch) eine entscheidende Rolle.
- Diese spezielle Form der Resistenzentwicklung findet in unserer Umwelt zunehmend dort statt, wo Bakterien aus medizinischen Einrichtungen und aus der Massentierhaltung mit anderen Bakterien zusammentreffen, z.B. in Kläranlagen und Gewässern.
- Insbesondere die ESBL (Extended Spectrum Betalactamases ) und die Carbapenem-Resistenzen sind auf diesem Weg entstanden. Infektionen mit diesen Erregern nehmen zu und sind zum Teil schwer zu behandeln.
- Immer wieder neue (und teure) Antibiotika zu entwickeln wird diese Probleme letztlich nicht verringern. Es muss auch Einfluss auf die ökologische Gesamtsituation genommen werden.
Selbst World Economic Forum warnt
Vom World Economic Forum - nicht zu verwechseln mit dem World Health Summit, den wir gerade einer massiven Kritik unterzogen haben - werden die durch resistente Bakterien verursachten Infektionen mittlerweile als eines der grössten Gesundheitsrisiken der Zukunft eingestuft.
Von da an ging’s bergab
Seit 2004 kommt es zu einem dramatischen Anstieg dieser Infektionen.
Infektionen durch ESBL-enthaltende E-Coli-Bakterien sind von deutlich unter 10% im Jahre 2004 auf 11,6% im Jahre 2008 angestiegen, ESBL enthaltende Klebsiellen gar auf 17%.
Tendenz: Weiter zügig aufwärts. Siehe hier und hier.
Reistente Klebsiellen waren auch für Infektionen und Todesfälle auf Neugeborenen-Stationen in Bremen, Berlin und Leipzig verantwortlich.
Zurück in die Nahrungskette
Antibiotika, insbesondere wenn sie nur langsam abgebaut werden, gelangen über die Abwässer und die Düngung von Feldern wieder in die Nahrungskette.
Nicht besser sieht es bei Fischen aus, die mit Abwässern in Berührung kamen, oder – häufiger – in Fischfarmen mit Antibiotika gefüttert werden.
Jährlich tonnenweise Antibiotika
In Grossbritannien wurden in den Jahren 2006 bis 2011 jährlich bis zu 400 Tonnen Antibiotika in der Tierzucht verbraucht (in Deutschland sind es 1760 Tonnen insgesamt in der Veterinärmedizin pro Jahr, der grösste Teil in der Massentierhaltung) .
Davon tauchen rund 15% als Dünger oder durch Beregnung mit Abwässern wieder auf den Feldern auf, und gelangen so in die Nahrungskette.
Auch unter dem Selektionsdruck resistent gewordene Bakterien tauchen in den Nahrungsmitteln auf, die diese Resistenz-Info im Darmtrakt der Konsumenten dann an dort befindliche fakultativ pathogene Keime weiterreichen.
Dies gilt insbesondere für Geflügel aus der Massentierhaltung
Vorschläge zur Schadensminderung
Der Artikel im Arzneimittelbrief beschränkt sich jedoch nicht nur darauf, dieses Horrorszenario aufzuzeigen, sondern macht gleichzeitig Vorschläge, wie diese Umweltbelastung deutlich vermindert werden kann.
Bei der Abwasserbehandlung:
- durch besondere Entsorgung der Krankenhausabwässer
- Reduktion der mikrobiellen Kontamination durch neue Technologien. z.B. UV-Behandlung
- durch Membran und Ozontechnologie zur Entfernung von Arzneimitteln aus dem Abwasser
In der Landwirtschaft
- durch Reduktion des Antibiotikaverbrauchs in der Nutztierhaltung
- durch Vermeidung von Massentierhaltung
- durch eine Viehhaltung in genügendem Abstand zu Fliessgewässern
- durch Vermeidung bzw. Verminderung der Düngung der Felder mit Fäkalien von Mensch und Tier
- durch besondere Behandlung des Abwassers aus der Viehhaltung
In der Medizin und Veterinärmedizin:
- durch zielgerichteten und reduzierten Einsatz von Antibiotika
- durch Verwendung von leicht abbaubaren Antibiotika
- durch Entwicklung von Alternativen zur Antibiotikatherapie.
Dieser AMB-Artikel ist wesentlich präziser als der Bericht Professor Ansgar Lohses vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Sprecher der Arbeitsgruppe „Infektionsforschung und Gesellschaft“.
Mehr noch, er fordert mit Vorschlägen zum unverzüglichen Handeln auf, da die Zeit drängt-
Grossbritannien: Gefahr der Antibiotikaresistenz vergleichbar mit Terrorismusgefahr und Gefahr der Klimaveränderung
Deutsche Spitzenforscher: Späte Warnung vor Antibiotikaresistenz und unzureichende Vorschläge
Die Zukunft heisst Resistenz? – Antiinfektiva verlieren ihre Wirksamkeit
Neue schlechte Nachrichten zur bakteriellen Resistenz gegen Antibiotika
Putenlaster-Unfall, kranke Puten und grüne Stellungnahmen zu schwarzer Zukunft
Erst Bremen, jetzt Leipzig – Die Antibiotikaresistenz breitet sich aus
Zwei Schreckensmeldungen zur Antibiotika-Verfütterung in der Massentierhaltung
Frühchentod und Antibiotikaresistenz
Antibiotikaresistenz: Nach Pest, Tripper, MRSA, NDM-1, TB, Campylobacter nun die Salmonellen
Bleibt die Gonorrhoe (Tripper) behandelbar?
Antibiotika-Resistenz: Spätes Erwachen. Oder: Minister Bahrs Wort zum Sonntag
WHO, Weltgesundheitstag und Antibiotikaresistenz - eine Nachbemerkung
Pest-Seuche und Antibiotika-Resistenz
Antibiotika oder Massentierhaltung?
Der Dioxin-Skandal flaut ab, die Probleme der Massentierhaltung bleiben
Hilflos bei Infektionen - Antibiotika verlieren ihre Wirksamkeit
Tierfabriken, Schweineviren und die Zukunft
Bittere Pillen für die Dritte Welt
Eine besiegt geglaubte Krankheit droht wieder zur unkontrollierbaren Seuche zu werden
Welt-Tuberkulose Tag - eine Krankheit weiter auf dem Vormarsch</
Tuberkulose und die Krise bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO): Kein Nachlassen der Schreckensmeldungen
Zur Ministerin Aigner
Will Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner uns für dumm verkaufen? – Ein Kommentar zur geplanten Reform des Tierarzneirechts
Verband zur Förderung der Massentierhaltung Deutschlands (VEFMAD) dankt der Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner
onlinedienst - 9. Apr, 20:11 Article 5322x read