Welt-Tuberkulose-Tag 2012 - Gibt es Fortschritte in der Diagnose und Therapie?
Dr. Alexander von Paleske --- 24.3. 2012 ---
Heute ist Welt-Tuberkulose-Tag, um das Augenmerk auf eine Seuche zu richten, die einstmals gute Chancen hatte, ausgerottet zu werden, die aber mittlerweile weltweit nicht nur dramatisch im Steigen begriffen ist, sondern deren Erreger in zunehmenden Masse resistent geworden sind, und deren Ausbreitung durch die Immunschwächekrankheit AIDS massiv gefördert wird.
Eindeutiger Trend
Der Trend ist eindeutig:
-Die Erkrankungen nicht nur an Tuberkulose, sondern gerade auch an medikamentenresistenter Tuberkulose nehmen weltweit - auch hier in Simbabwe - weiter zu.
-Auch in Deutschland erkranken wieder mehr Kinder an TB
-Durchschlagende neue diagnostische Möglichkeiten, die auch für Länder der Dritten Welt erschwinglich sind, gibt es vorläufig nicht, trotz gegenteiliger Stellungnahmen der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
-Neuartige Impfungen, die wesentlich besser schützen sollen, als die bisherige unzureichende BCG Impfung, befinden sich in der Entwicklung. Ob sie tatsächlich eines Tages zu einem drastischen Rückgang der Neuinfektionen führen werden, ist noch völlig unklar.
- Ebenso ungewiss ist, ob sie bei Immunsupprimierten und HIV-Kranken ihre Wirksamkeit nicht einbüssen.
Wenig neue Medikamente
Nur wenige wirkliche Neuentwicklungen von Medikamenten, die nicht nur Abwandlungen von bisher bereits eingesetzten Medikamentenklassen sind, gibt es bisher. Völlig unzureichend, um dem Problem der Multi-Drug-resistenten Tuberkulose (MDR-TB) bzw. der extensiv resistenten TB (XDR-TB), und schliesslich der neu aufgetretenen total resistenten TB (TDR) wirksam zu Leibe zu rücken.
Zahlen sprechen für sich
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation
- sind 1,3 Milliarden Menschen mit Tuberkelbakterien infiziert (was nicht mit aktiver Erkrankung gleichzusetzen ist)
- Erkranken pro Jahr weltweit rund 9 Millionen Menschen neu an aktiver Tuberkulose
- Sterben pro Jahr rund 2 Millionen Menschen an dieser Krankheit.
- leiden 40% Prozent der TB-Patienten in Dritte Welt Ländern mit hoher Inzidenz von HIV-AIDS ebenfalls an der immunschwächekrankheit.
- Verläuft die TB bei HIV-Patienten in der Regel wesentlich schwerer, als bei Patienten mit intaktem Immunsystem.

TB-Aufklärungsplakat in Simbabwe
Bedrohliche Zunahme der Medikamenten-resistenten TB
Am bedrohlichsten ist ohne Zweifel die Resistenzzunahme der Tuberkelbakterien weltweit.
Rund 3% aller Krankheitsfälle weltweit sind MDR-TB mit weiter steigender Tendenz.

Zunahme der MDR-TB in Simbabwe von 2007-2011
Noch schlimmer: nur 7% der weltweit 500.000 MDR-TB Kranken werden aufgrund von Laboruntersuchungen rechtzeitig entdeckt. 93% - wenn überhaupt - nur mit grosser Verspätung klinisch.
Selbst die Tuberkulose insgesamt wird nur in 63% der Fälle mangels Zugang zu entsprechenden Laboren korrekt diagnostiziert.
Ursachen der Resistenzentwicklung
Die Resistenzentwicklung wird oftmals hervorgerufen durch die ungenügende Einnahme von TB- Medikamenten, insbesondere durch den vorzeitige Abbruch der Behandlung durch den Patienten.
Dann durch die Weiterverbreitung dieser multiresistenter TB-Bakterien in der Umgebung.
Trotzdem Grund zur Hoffnung?
Besteht trotz allem berechtigter Grund zur Hoffnung?
Ja und nein. Die Neuentwicklung von gegen TB wirksamen Medikamenten ist völlig unzureichend, und müsste deswegen massiv gefördert werden.
Nur zwei neue Medikamente, Bedaquiline und Delamanid, befinden sich in klinischer Erprobung.
Aber eine weltweite Anstrengung zur Entwicklung neuer Medikamente fehlt völlig.
Mehr noch: der Global Fund zur Bekämpfung von AIDS, Malaria und TB, ist durch millionenschwere Zweckentwendungen in Sambia, Mauretanien, Simbabwe und anderswo in die Kritik geraten, was einige Geberländer, allen voran die Bunderepublik Deutschland mit Entwicklungshilfe-Aussenhandelsminister Dirk Niebel, nutzten, um flugs die Gelder für den Global Fund zu sperren.
Ohnehin war ihm diese Mittelzuweisung längst ein Dorn im Auge, weil im Gefolge es nicht zur lukrativen Auftragsvergaben an Deutsche Firmen kam.
.
Mit weiteren massiven Kürzungen ist angesichts der globalen Finanzkrise zu rechnen.
Mehr noch: Länder der Dritten Welt sind nicht in der Lage, die Behandlung der MDR-TB (1200 US Dollar pro Patient und Jahr) zu finanzieren, von der Behandlung der XDR-TB (7000 US Dollar pro Patient und Jahr) ganz zu schweigen.
Sobald sich aber die MDR und XDR in der Bevölkerung fest etabliert haben, werden sie über kurz oder lang zur vorherrschenden Form der Tuberkulose. Ein Schreckensszenario.
Unzureichender und teurer Test
In dieser Situation knapper Mittel propagiert nun die WHO einen Test, der angeblich diagnostische Sicherheit verspricht, und darüber hinaus auch noch die schnelle Resistenzbeurteilung statt der zeitaufwendigen Kultur der Bakterien ermöglicht: Der sog. GeneXpert MTB/RIF Test.
Aber:
-Der Test kostet das 10-fache pro Patient wie der herkömmliche TB-Test.
-nur 9 von 10 HIV-negativen TB-patienten werden korrekt diagnostiziert
-noch erheblich ungenauer ist der Test bei HIV-positiven Patienten
-die Resistenztestung für MDR-TB ist völlig unzureichend, weil der Test nur Resistenz gegen eines der Medikamente -Rifampicin- testet, und selbst dort eine Fehlerquote von rund 30% besteht: sowohl falsch positive wie falsch negative Resultate mit der Folge, dass Patienten entweder mit unwirksamen Medikamenten behandelt werden, oder aber unnötigerweise mit sehr teuren Medikamenten zweiter Wahl.
Gleichwohl wird der Test mit Geldern des Global Fund durch massive Propagierung seitens der WHO in Dritte Welt Länder gepresst, und als grosser Fortschritt gepriesen.
Kritik daran wird sehr ungern gehört, wie ich selbst gestern bei einem Tuberkulosemeeting hier in Bulawayo feststellen musste. Und dies, obgleich selbst die hochangesehene Medizinzeitung Lancet vor einem Jahr ebenfalls massive Kritik an diesem Test äusserte, (Lancet (Vol 377 , 30.4. 2011 p. 1467).
Diese Kritik wurde dann von anderen Forscherteams in Briefen an den Lancet mit harten Daten untermauert (Lancet 6. August 2011 Vol 378 p. 481) sowohl hier, wie auch hier und hier
Fazit:
Erhebliche Anstrengungen aller Regierungen weltweit sind erforderlich, um diese Seuche in den Griff zu bekommen, nicht jedoch Mittelkürzungen. Ansonsten drohen uns Verhältnisse, wie sie </iThomas Mann in seinem hervorragenden Werk „Der Zauberberg>“ beschrieben hat: Liegekuren und chirurgische Eingriffe, und damit für viele Patienten der sichere Tod.
Der Siegeszug der Medikamente gegen Tuberkulose droht nach 50 Jahren nun in einer Niederlage zu enden.
Die Bombe tickt.
Wissenschaftliche Veröffentlichungen des Verfassers zur Tuberkulose
Lymph node aspirates in Tuberculosis-Diagnosis: New challenges, new solutions – a study of 156 patients
Diagnosis of disseminated Tuberculosis in bone marrow aspirates
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Welt-Tuberkulose Tag - eine Krankheit weiter auf dem Vormarsch</
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Heute ist Welt-Tuberkulose-Tag, um das Augenmerk auf eine Seuche zu richten, die einstmals gute Chancen hatte, ausgerottet zu werden, die aber mittlerweile weltweit nicht nur dramatisch im Steigen begriffen ist, sondern deren Erreger in zunehmenden Masse resistent geworden sind, und deren Ausbreitung durch die Immunschwächekrankheit AIDS massiv gefördert wird.
Eindeutiger Trend
Der Trend ist eindeutig:
-Die Erkrankungen nicht nur an Tuberkulose, sondern gerade auch an medikamentenresistenter Tuberkulose nehmen weltweit - auch hier in Simbabwe - weiter zu.
-Auch in Deutschland erkranken wieder mehr Kinder an TB
-Durchschlagende neue diagnostische Möglichkeiten, die auch für Länder der Dritten Welt erschwinglich sind, gibt es vorläufig nicht, trotz gegenteiliger Stellungnahmen der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
-Neuartige Impfungen, die wesentlich besser schützen sollen, als die bisherige unzureichende BCG Impfung, befinden sich in der Entwicklung. Ob sie tatsächlich eines Tages zu einem drastischen Rückgang der Neuinfektionen führen werden, ist noch völlig unklar.
- Ebenso ungewiss ist, ob sie bei Immunsupprimierten und HIV-Kranken ihre Wirksamkeit nicht einbüssen.
Wenig neue Medikamente
Nur wenige wirkliche Neuentwicklungen von Medikamenten, die nicht nur Abwandlungen von bisher bereits eingesetzten Medikamentenklassen sind, gibt es bisher. Völlig unzureichend, um dem Problem der Multi-Drug-resistenten Tuberkulose (MDR-TB) bzw. der extensiv resistenten TB (XDR-TB), und schliesslich der neu aufgetretenen total resistenten TB (TDR) wirksam zu Leibe zu rücken.
Zahlen sprechen für sich
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation
- sind 1,3 Milliarden Menschen mit Tuberkelbakterien infiziert (was nicht mit aktiver Erkrankung gleichzusetzen ist)
- Erkranken pro Jahr weltweit rund 9 Millionen Menschen neu an aktiver Tuberkulose
- Sterben pro Jahr rund 2 Millionen Menschen an dieser Krankheit.
- leiden 40% Prozent der TB-Patienten in Dritte Welt Ländern mit hoher Inzidenz von HIV-AIDS ebenfalls an der immunschwächekrankheit.
- Verläuft die TB bei HIV-Patienten in der Regel wesentlich schwerer, als bei Patienten mit intaktem Immunsystem.

TB-Aufklärungsplakat in Simbabwe
Bedrohliche Zunahme der Medikamenten-resistenten TB
Am bedrohlichsten ist ohne Zweifel die Resistenzzunahme der Tuberkelbakterien weltweit.
Rund 3% aller Krankheitsfälle weltweit sind MDR-TB mit weiter steigender Tendenz.

Zunahme der MDR-TB in Simbabwe von 2007-2011
Noch schlimmer: nur 7% der weltweit 500.000 MDR-TB Kranken werden aufgrund von Laboruntersuchungen rechtzeitig entdeckt. 93% - wenn überhaupt - nur mit grosser Verspätung klinisch.
Selbst die Tuberkulose insgesamt wird nur in 63% der Fälle mangels Zugang zu entsprechenden Laboren korrekt diagnostiziert.
Ursachen der Resistenzentwicklung
Die Resistenzentwicklung wird oftmals hervorgerufen durch die ungenügende Einnahme von TB- Medikamenten, insbesondere durch den vorzeitige Abbruch der Behandlung durch den Patienten.
Dann durch die Weiterverbreitung dieser multiresistenter TB-Bakterien in der Umgebung.
Trotzdem Grund zur Hoffnung?
Besteht trotz allem berechtigter Grund zur Hoffnung?
Ja und nein. Die Neuentwicklung von gegen TB wirksamen Medikamenten ist völlig unzureichend, und müsste deswegen massiv gefördert werden.
Nur zwei neue Medikamente, Bedaquiline und Delamanid, befinden sich in klinischer Erprobung.
Aber eine weltweite Anstrengung zur Entwicklung neuer Medikamente fehlt völlig.
Mehr noch: der Global Fund zur Bekämpfung von AIDS, Malaria und TB, ist durch millionenschwere Zweckentwendungen in Sambia, Mauretanien, Simbabwe und anderswo in die Kritik geraten, was einige Geberländer, allen voran die Bunderepublik Deutschland mit Entwicklungshilfe-Aussenhandelsminister Dirk Niebel, nutzten, um flugs die Gelder für den Global Fund zu sperren.
Ohnehin war ihm diese Mittelzuweisung längst ein Dorn im Auge, weil im Gefolge es nicht zur lukrativen Auftragsvergaben an Deutsche Firmen kam.
.
Mit weiteren massiven Kürzungen ist angesichts der globalen Finanzkrise zu rechnen.
Mehr noch: Länder der Dritten Welt sind nicht in der Lage, die Behandlung der MDR-TB (1200 US Dollar pro Patient und Jahr) zu finanzieren, von der Behandlung der XDR-TB (7000 US Dollar pro Patient und Jahr) ganz zu schweigen.
Sobald sich aber die MDR und XDR in der Bevölkerung fest etabliert haben, werden sie über kurz oder lang zur vorherrschenden Form der Tuberkulose. Ein Schreckensszenario.
Unzureichender und teurer Test
In dieser Situation knapper Mittel propagiert nun die WHO einen Test, der angeblich diagnostische Sicherheit verspricht, und darüber hinaus auch noch die schnelle Resistenzbeurteilung statt der zeitaufwendigen Kultur der Bakterien ermöglicht: Der sog. GeneXpert MTB/RIF Test.
Aber:
-Der Test kostet das 10-fache pro Patient wie der herkömmliche TB-Test.
-nur 9 von 10 HIV-negativen TB-patienten werden korrekt diagnostiziert
-noch erheblich ungenauer ist der Test bei HIV-positiven Patienten
-die Resistenztestung für MDR-TB ist völlig unzureichend, weil der Test nur Resistenz gegen eines der Medikamente -Rifampicin- testet, und selbst dort eine Fehlerquote von rund 30% besteht: sowohl falsch positive wie falsch negative Resultate mit der Folge, dass Patienten entweder mit unwirksamen Medikamenten behandelt werden, oder aber unnötigerweise mit sehr teuren Medikamenten zweiter Wahl.
Gleichwohl wird der Test mit Geldern des Global Fund durch massive Propagierung seitens der WHO in Dritte Welt Länder gepresst, und als grosser Fortschritt gepriesen.
Kritik daran wird sehr ungern gehört, wie ich selbst gestern bei einem Tuberkulosemeeting hier in Bulawayo feststellen musste. Und dies, obgleich selbst die hochangesehene Medizinzeitung Lancet vor einem Jahr ebenfalls massive Kritik an diesem Test äusserte, (Lancet (Vol 377 , 30.4. 2011 p. 1467).
Diese Kritik wurde dann von anderen Forscherteams in Briefen an den Lancet mit harten Daten untermauert (Lancet 6. August 2011 Vol 378 p. 481) sowohl hier, wie auch hier und hier
Fazit:
Erhebliche Anstrengungen aller Regierungen weltweit sind erforderlich, um diese Seuche in den Griff zu bekommen, nicht jedoch Mittelkürzungen. Ansonsten drohen uns Verhältnisse, wie sie </iThomas Mann in seinem hervorragenden Werk „Der Zauberberg>“ beschrieben hat: Liegekuren und chirurgische Eingriffe, und damit für viele Patienten der sichere Tod.
Der Siegeszug der Medikamente gegen Tuberkulose droht nach 50 Jahren nun in einer Niederlage zu enden.
Die Bombe tickt.
Wissenschaftliche Veröffentlichungen des Verfassers zur Tuberkulose


Zur Resistezentwicklung
















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