Neue schlechte Nachrichten zur bakteriellen Resistenz gegen Antibiotika
Dr. Alexander von Paleske --- 9.6. 2012 ---
In immer kürzeren Abständen kommen Nachrichten über multiresistente Bakterien. Die letzte kam gestern aus Jena: Wiederum von einer Neugeborenen-Station und wieder war ein Todesfall zu beklagen.
Wiederum handelte es sich um Darm-Bakterien, die normalerweise keine Probleme machen, aber bei Abwehrgeschwächten oder Patienten, bei denen das Immunsystem noch nicht ausgereift ist - wie bei den Frühchen - schwere Infektionen hervorrufen können.
Es war einmal
Bisher waren diese Infektionen gut behandelbar, aber nun gibt es auch hier Resistenzen dieser Bakterien gegen das bisher hochaktive Vancomycin. So genannte Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE).
Das gleiche Multiresistenz-Trauerspiel wie bei den in Leipzig und Bremen gefundenen Klebsiellen.
Alarm von der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
Ebenfalls in dieser Woche kamen alarmierende Nachrichten von der WHO: Die medikamentenresistente Gonorrhoe (Tripper) ist weltweit auf dem Vormarsch.
Eine Geschlechtskrankheit, an der jedes Jahr weltweit rund 100 Millionen Menschen neu erkranken.
Zahlreiche Gonokokken (Bildmitte) - Erreger der Gonorrhoe - unter dem Mikroskop
Die Erkrankungszahlen sind im Steigen begriffen. Das gilt auch für Deutschland, wo mit rund 25.000 neuen Kranheitsfällen pro Jahr gerechnet wird. Tendenz: Deutlich ansteigend.
In Sachsen, wo – anders als in den anderen Bundesländern - noch eine Meldepflicht für diese Infektionskrankheit besteht, hat sich die Inzidenz von 6,8 Krankheitsfällen pro 100.000 Einwohner im Jahre 2003 auf 14,3 Infektionen per 100.000 im Jahre 2010 glatt verdoppelt.
Keineswegs eine harmlose Krankheit
Die Erreger der Gonorrhoe dringen in die Schleimhaut der Harnröhre, bei Frauen auch noch in die Schleimhaut des Gebärmutterhalses ein, und verursachen eine eitrige Entzündung.
Bei oralem oder analem Geschlechtsverkehr können auch die Schleimhäute des Rachens bzw. des Rektums betroffen sein.
Bei Frauen kann die Entzündung weiter aufsteigen, die Eileiter befallen und in Einzelfällen schliesslich zu einer Bauchfellentzündung (Peritonitis) führen.
Beim Mann kann die Entzündung die Prostata befallen aber auch die Nebenhoden.
Unbehandelt mit Spätfolgen
Die unbehandelte lokalisierte Krankheit verursacht insbesondere bei Männern häufig ausserordentlich starke Schmerzen und heilt unbehandelt keineswegs komplikationslos ab.
Häufigste Spätfolgen sind eine Striktur der Harnröhre bei männlichen Patienten und Sterilität wegen Verklebung der Eileiter und ein erhöhtes Risiko für eine Bauchhöhlenschwangerschaft bei weiblichen Patienten.
Wenn die Erreger in die Blutbahn eindringen, können sie zu Gelenkentzündungen aber auch zu einer Entzündung der Herzklappen mit deren konsekutiver Funktionseinbusse führen.
Einige Gonokokkenstämme können auch eine Hirnhautentzündung auslösen. Todesfälle kommen vor.
Auch kann die Gonorrhoe während des Geburtsvorgangs von der Mutter auf das Neugeborene übertragen werden, insbesondere durch Befall der Augen.
Im 19. Jahrhundert war diese Entzündung die häufigste Ursache für Blindheit. Dem wurde dann durch die sog. Crede-Augentropfenprophylaxe der Schrecken genommen.
Schrecken verloren - vorübergehend
Mit der Einführung des Penicillins in den 40er Jahren verlor der Tripper seinen Schrecken. Aber nicht für immer. Noch in den Haut-Heilkundebüchern aus den 80er Jahren findet sich die Penicillin-Therapiempfehlung (Nasemann, Sauerbrey - Lehrbuch der Haukrankheiten und venerischen Infektionen - 5. Aufl. 1987)
Nach 40 Jahren Therapieerfolg sind die Gonokokken aber mittlerweile resistent gegen diese Behandlung geworden.
Das war zunächst kein Problem, denn als Ausweichmedikamente boten sich Mitte der 80er Jahre die neuentwickelten Chinolone (Norfloxacin, Ciprofloxacin) an, die zudem den Vorteil der oralen Einnahme hatten, während das Penicillin injiziert werden musste.
Weit schneller als gegen das Penicillin bildeten sich nach 20 Jahren auch gegen diese Arzneien Resistenzen.
Ende der Fahnenstange
Aber noch gab es ein Ausweichmedikament: die hochpotenten Breitspektrum-Antibiotika vom Typ der Cefalosporine der 3. Generation (Ceftriaxon, Cefotaxim etc).
Nach nur 10 Jahren nun auch dagegen die ersten Resistenzen. Ende der Fahnenstange.
Allerdings tauchten bereits vor einem Jahr die ersten Berichte über derartige Resistenzen in Japan auf. Wir berichteten darüber.
Von der WHO kam damals keine Reaktion. Mittlerweile werden aber Resistenzen auch aus Australien, Frankreich, Norwegen und Schweden berichtet.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese Resistenzen auch in Deutschland auftauchen und sich breit machen.
Kein unabwendbarer Schicksalsschlag
Viele Resistenzen sind kein unerwarteter Schicksalsschlag, sie waren und sind die Folge der systematischen und verantwortungslosen Verabreichung von Antibiotika in der Massentierhaltung, aber auch durch den nicht indizierten Einsatz bei Patienten.
400 Millionen Hühner pro Jahr allein in Niedersachen bekommen während ihres kurzen Lebens statistisch gesehen 2,5 mal Antibiotika. Anders schaffen sie es gar nicht bis zum Schlachttag.
Die Zeit drängt, den verantwortungslosen Einsatz der Antibiotika schleunigst zu beenden. Das bedeutet zwangsläufig auch das Ende der Massentierhaltung, insbesondere von Geflügel.
Aber dieses Problem lässt die WHO aus. Und die Politiker nehmen das Problem entweder nicht recht wahr, oder wollen es nicht wahrhaben. Währenddessen läuft die Zeit davon
Willy Brandt sagte einst:
„Beeilt Euch zu handeln, bevor es zu spät ist, zu bereuen“.
Es waren Worte Fridtjof Nansens – in einem ganz anderen Zusammenhang. Aber sie passen auf die Situation hier und heute.
Erst Bremen, jetzt Leipzig – Die Antibiotikaresistenz breitet sich aus
Zwei Schreckensmeldungen zur Antibiotika-Verfütterung in der Massentierhaltung
Frühchentod und Antibiotikaresistenz
Antibiotikaresistenz: Nach Pest, Tripper, MRSA, NDM-1, TB, Campylobacter nun die Salmonellen
Bleibt die Gonorrhoe (Tripper) behandelbar?
Antibiotika-Resistenz: Spätes Erwachen. Oder: Minister Bahrs Wort zum Sonntag
WHO, Weltgesundheitstag und Antibiotikaresistenz - eine Nachbemerkung
Pest-Seuche und Antibiotika-Resistenz
Antibiotika oder Massentierhaltung?
Der Dioxin-Skandal flaut ab, die Probleme der Massentierhaltung bleiben
Hilflos bei Infektionen - Antibiotika verlieren ihre Wirksamkeit
Tierfabriken, Schweineviren und die Zukunft
Bittere Pillen für die Dritte Welt
In immer kürzeren Abständen kommen Nachrichten über multiresistente Bakterien. Die letzte kam gestern aus Jena: Wiederum von einer Neugeborenen-Station und wieder war ein Todesfall zu beklagen.
Wiederum handelte es sich um Darm-Bakterien, die normalerweise keine Probleme machen, aber bei Abwehrgeschwächten oder Patienten, bei denen das Immunsystem noch nicht ausgereift ist - wie bei den Frühchen - schwere Infektionen hervorrufen können.
Es war einmal
Bisher waren diese Infektionen gut behandelbar, aber nun gibt es auch hier Resistenzen dieser Bakterien gegen das bisher hochaktive Vancomycin. So genannte Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE).
Das gleiche Multiresistenz-Trauerspiel wie bei den in Leipzig und Bremen gefundenen Klebsiellen.
Alarm von der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
Ebenfalls in dieser Woche kamen alarmierende Nachrichten von der WHO: Die medikamentenresistente Gonorrhoe (Tripper) ist weltweit auf dem Vormarsch.
Eine Geschlechtskrankheit, an der jedes Jahr weltweit rund 100 Millionen Menschen neu erkranken.
Zahlreiche Gonokokken (Bildmitte) - Erreger der Gonorrhoe - unter dem Mikroskop
Die Erkrankungszahlen sind im Steigen begriffen. Das gilt auch für Deutschland, wo mit rund 25.000 neuen Kranheitsfällen pro Jahr gerechnet wird. Tendenz: Deutlich ansteigend.
In Sachsen, wo – anders als in den anderen Bundesländern - noch eine Meldepflicht für diese Infektionskrankheit besteht, hat sich die Inzidenz von 6,8 Krankheitsfällen pro 100.000 Einwohner im Jahre 2003 auf 14,3 Infektionen per 100.000 im Jahre 2010 glatt verdoppelt.
Keineswegs eine harmlose Krankheit
Die Erreger der Gonorrhoe dringen in die Schleimhaut der Harnröhre, bei Frauen auch noch in die Schleimhaut des Gebärmutterhalses ein, und verursachen eine eitrige Entzündung.
Bei oralem oder analem Geschlechtsverkehr können auch die Schleimhäute des Rachens bzw. des Rektums betroffen sein.
Bei Frauen kann die Entzündung weiter aufsteigen, die Eileiter befallen und in Einzelfällen schliesslich zu einer Bauchfellentzündung (Peritonitis) führen.
Beim Mann kann die Entzündung die Prostata befallen aber auch die Nebenhoden.
Unbehandelt mit Spätfolgen
Die unbehandelte lokalisierte Krankheit verursacht insbesondere bei Männern häufig ausserordentlich starke Schmerzen und heilt unbehandelt keineswegs komplikationslos ab.
Häufigste Spätfolgen sind eine Striktur der Harnröhre bei männlichen Patienten und Sterilität wegen Verklebung der Eileiter und ein erhöhtes Risiko für eine Bauchhöhlenschwangerschaft bei weiblichen Patienten.
Wenn die Erreger in die Blutbahn eindringen, können sie zu Gelenkentzündungen aber auch zu einer Entzündung der Herzklappen mit deren konsekutiver Funktionseinbusse führen.
Einige Gonokokkenstämme können auch eine Hirnhautentzündung auslösen. Todesfälle kommen vor.
Auch kann die Gonorrhoe während des Geburtsvorgangs von der Mutter auf das Neugeborene übertragen werden, insbesondere durch Befall der Augen.
Im 19. Jahrhundert war diese Entzündung die häufigste Ursache für Blindheit. Dem wurde dann durch die sog. Crede-Augentropfenprophylaxe der Schrecken genommen.
Schrecken verloren - vorübergehend
Mit der Einführung des Penicillins in den 40er Jahren verlor der Tripper seinen Schrecken. Aber nicht für immer. Noch in den Haut-Heilkundebüchern aus den 80er Jahren findet sich die Penicillin-Therapiempfehlung (Nasemann, Sauerbrey - Lehrbuch der Haukrankheiten und venerischen Infektionen - 5. Aufl. 1987)
Nach 40 Jahren Therapieerfolg sind die Gonokokken aber mittlerweile resistent gegen diese Behandlung geworden.
Das war zunächst kein Problem, denn als Ausweichmedikamente boten sich Mitte der 80er Jahre die neuentwickelten Chinolone (Norfloxacin, Ciprofloxacin) an, die zudem den Vorteil der oralen Einnahme hatten, während das Penicillin injiziert werden musste.
Weit schneller als gegen das Penicillin bildeten sich nach 20 Jahren auch gegen diese Arzneien Resistenzen.
Ende der Fahnenstange
Aber noch gab es ein Ausweichmedikament: die hochpotenten Breitspektrum-Antibiotika vom Typ der Cefalosporine der 3. Generation (Ceftriaxon, Cefotaxim etc).
Nach nur 10 Jahren nun auch dagegen die ersten Resistenzen. Ende der Fahnenstange.
Allerdings tauchten bereits vor einem Jahr die ersten Berichte über derartige Resistenzen in Japan auf. Wir berichteten darüber.
Von der WHO kam damals keine Reaktion. Mittlerweile werden aber Resistenzen auch aus Australien, Frankreich, Norwegen und Schweden berichtet.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese Resistenzen auch in Deutschland auftauchen und sich breit machen.
Kein unabwendbarer Schicksalsschlag
Viele Resistenzen sind kein unerwarteter Schicksalsschlag, sie waren und sind die Folge der systematischen und verantwortungslosen Verabreichung von Antibiotika in der Massentierhaltung, aber auch durch den nicht indizierten Einsatz bei Patienten.
400 Millionen Hühner pro Jahr allein in Niedersachen bekommen während ihres kurzen Lebens statistisch gesehen 2,5 mal Antibiotika. Anders schaffen sie es gar nicht bis zum Schlachttag.
Die Zeit drängt, den verantwortungslosen Einsatz der Antibiotika schleunigst zu beenden. Das bedeutet zwangsläufig auch das Ende der Massentierhaltung, insbesondere von Geflügel.
Aber dieses Problem lässt die WHO aus. Und die Politiker nehmen das Problem entweder nicht recht wahr, oder wollen es nicht wahrhaben. Währenddessen läuft die Zeit davon
Willy Brandt sagte einst:
„Beeilt Euch zu handeln, bevor es zu spät ist, zu bereuen“.
Es waren Worte Fridtjof Nansens – in einem ganz anderen Zusammenhang. Aber sie passen auf die Situation hier und heute.
Erst Bremen, jetzt Leipzig – Die Antibiotikaresistenz breitet sich aus
Zwei Schreckensmeldungen zur Antibiotika-Verfütterung in der Massentierhaltung
Frühchentod und Antibiotikaresistenz
Antibiotikaresistenz: Nach Pest, Tripper, MRSA, NDM-1, TB, Campylobacter nun die Salmonellen
Bleibt die Gonorrhoe (Tripper) behandelbar?
Antibiotika-Resistenz: Spätes Erwachen. Oder: Minister Bahrs Wort zum Sonntag
WHO, Weltgesundheitstag und Antibiotikaresistenz - eine Nachbemerkung
Pest-Seuche und Antibiotika-Resistenz
Antibiotika oder Massentierhaltung?
Der Dioxin-Skandal flaut ab, die Probleme der Massentierhaltung bleiben
Hilflos bei Infektionen - Antibiotika verlieren ihre Wirksamkeit
Tierfabriken, Schweineviren und die Zukunft
Bittere Pillen für die Dritte Welt
onlinedienst - 9. Jun, 14:42 Article 8013x read
Wirkstoffe in Einzelhaft
Um dies zu verstehen, ist es hilfreich, sich das Streckennetz einer größeren Stadt vorzustellen. Jede Haltestelle steht für einen Stoffwechselschritt im Bakterium. Fällt nun durch ein Antibiotikum eine dieser Haltestellen weg, beispielsweise die Biosynthese von Murein, sucht sich die Natur über kurz oder lang eine neue Wegstrecke mit anderen Haltestellen. So entstehen die gefürchteten Ressistenzen, die von den Erregern als Information über sogannte Plasmidringe an andere Stämme weitergereicht werden, auf das auch diese Resistent werden.
Das einzige, was wirksam und auf Dauer hilft, ist die Blockierung sämtlicher Strecken und somit des gesamten Streckennetzes, um bei diesem Beispiel zu bleiben. Aus diesem Grund verwendet die Natur stets Wirkstoffkombinationen, um z.B. Pflanzen zu schützen. Diese haben kein spezifisches Immunsystem wie wir Menschen, sondern müssen sich mit nur einer Wirkstoffkombination sämtliche Feinde vom Hals halten. Es sind diesselben Gegner, wie auch bei uns Menschen - Viren, Bakterien und Pilze.
Diese Wirkstoffkombinationen zu erforschen ist sehr, sehr aufwändig und damit teuer. Es erscheint der Pharmaindustrie daher gewinnträchtiger, aus der Summe aller entdeckten Wirkstoffe einen herauszugreifen und diesen dann, vergleichsweise primitiv, im Labor nachzubauen. Das Ergebnis ist dann so eine Art Wirkstoff, der kurze Zeit ein bisschen hilft und dann nutzlos wird. So bleibt der Patient stets Patient.
Von Eugen Roth stammt der folgende Reim, der manches erhellt:
Was bringt den Doktor um sein Brot
Die Gesundheit und der Tod
Drum hält der Arzt, auf das er lebe
uns zwischen beidem in der Schwebe
z.B.
NaHCO3>Natron
MgCl2>Magnsiumchlorid
Iod
NaClO2> Natriumchlorit bzw. ClO2>Chlordioxid