Eculizumab (Soliris) - Das Wundermittel gegen EHEC-HUS?
Dr. Alexander von Paleske --- 28.5. 2011 ---
Die Medien sind heute voll mit Meldungen über ein neues Mittel im Kampf gegen das Hämolytisch-Urämische Syndrom (HUS), eine nicht selten tödliche Komplikation der Infektion mit enterohämorrhragischen E-Coli –Bakterien und Shigellen-Infektionen. Ein Durchbruch?
Das Medikament Eculizumab, über das wir bereits in anderem Zusammenhang berichteten, ist seit 2007 zugelassen und wurde eigentlich für die zur Behandlung von Krankheiten des rheumatischen Formenkreises entwickelt. Das sind keineswegs seltene, chronisch entzündliche Erkrankungen, hervorgerufen durch Angriffe des fehlgeleiteten Immunsystems gegen körpereigenes Gewebe, Autoimmunerkrankungen auch genannt.
Dazu gehören beispielsweise die rheumatoide Arthritis, der Lupus erythematodes, die membranöse Glomerulonephritis (eine Autoimmunerkrankung welche die Nieren befällt) usw..
Wie wirkt Eculizumab?
Eculizumab greift in den (hier unerwünschten) Entzündungsprozess ein, und zwar durch Hemmung eines Bausteins der Komplement- Kaskade, C5, indem es sich an ihn bindet und damit den Weiterlauf der Kaskade und damit die Entstehung oder Unterhaltung einer Entzündungsreaktion verhindert.
Diese Kaskade ist aber nur bei Autoimmunerkrankungen ein unerwünschter Weg, er spielt nämlich bei der normalen Infektionsabwehr (Immunabwehr) eine sehr wichtige Rolle. Es ist deshalb auch nicht überraschend, dass der Einsatz dieses Medikaments die Infektionsgefahr erhöht, und bei bestimmten Infektionen erst gar nicht zum Einsatz kommen sollte, wie zum Beispiel bei der bakteriellen Hirnhautentzündung (Meningitis).
Glatter Reinfall und überraschende Wirkung
Das Medikament war jedoch für den geplanten Einsatz bei rheumatischen Erkrankungen ein glatter Reinfall.
Aber: Eculizumab sollte sich überraschender Weise als sehr wirksam bei der seltenen paroxysmalen (anfallsweisen) nächtlichen Hämoglobinurie (PNH) erweisen. Eine Erkrankung, bei der den roten Blutkörperchen eine Schutzschicht fehlt, die deshalb dem körpereigenen Komplement schutzlos ausgeliefert sind und zerstört werden. Hinzu kommen vermehrt Thrombosen.
Patienten, die an PNH leiden, sind chronisch transfusionsbedürftig, mit all den negativen Folgen, insbesondere der Eisenüberladung des Körpers. Durch die Blockierung der Komplementkaskade mit Eculizumab wird die Zerstörung der roten Blutkörperchen signifikant reduziert.
Eine Riesenüberraschung, allerdings wegen der Seltenheit der Erkrankung kein lukratives Geschäft, deshalb trieb die Herstellerfirma den Tagespreis auf nunmehr 5827 Euro, wir berichteten darüber.
Auch ein Mittel gegen HUS?
Eculizumab hat sich nun in einigen Fällen von HUS als offenbar spektakulär wirksam erwiesen. Es verhindert bzw. stoppt über die Blockade der Komplementaktivierung offenbar HUS .
Allerdings sind einige Zweifel angebracht: Die Patienten leiden an einer akuten bakteriellen Infektion mit EHEC. Auf diese Infektion dürfte sich Eculizumab keineswegs verbessernd auswirken, denn hier ist die Komplementaktivierung ja gerade erwünscht, da Teil der Infektionsabwehr, wie bereits beschrieben.
Möglicherweise wird dann doch parallel der Einsatz von Antibiotika erforderlich, welcher bei der vorhandenen Multiresistenz des Erregers weitere Probleme bereiten würde.
Es könnte sich herausstellen, dass Eculizumab, statt zu einer dramatischen Verbesserung, letztlich zu einer „Verschlimmbesserung“ führt. Zumal wenn Antibiotika eingesetzt werden müssen, um die Infektion zu beherrschen, was bei einem erfolgreichen Einsatz auch eine massenhafte Zerstörung der E-Coli-Bakterien mit massenhafter Freisetzung von Shiga-Toxin, dem Verursacher von HUS,. zur Folge hätte.
Die nächsten Tage werden zeigen, ob Eculizumab eine wirksame Therapie in diesen verzweifelten Fällen darstellt, was wirklich zu hoffen ist.
E-Mail avpaleske@botsnet.bw
Nachtrag 30.5. 2011
Nach Angaben des "Tagesspiegels" hat das Unternehmen Alexion Pharma angeboten, die Infusionslösung kostenlos zur Verfügung zu stellen.
Quelle:
http://www.aerztezeitung.de/news/article/656764/ehec-erste-erfolge-neuer-hus-therapie.html
Das ist allerdings wohl keine mildtätige Gabe, sondern damit soll sichergestellt werden, dass möglichst viele Patienten mit der Substanz behandelt werden, und dies nicht an finanziellen Erwägungen scheitert.
Bei nachgewiesenem erfolgreichen Einsatz wäre dann eine weitere indikation für dieses Medikament geschaffen.
Dieser Weg ist allemal billiger, als eine (randomisierte) Studie zu finanzieren, was ohnehin schwierig wäre, angesichts der normalerweise geringen Patientenzahlen.
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Das Medikament Eculizumab, über das wir bereits in anderem Zusammenhang berichteten, ist seit 2007 zugelassen und wurde eigentlich für die zur Behandlung von Krankheiten des rheumatischen Formenkreises entwickelt. Das sind keineswegs seltene, chronisch entzündliche Erkrankungen, hervorgerufen durch Angriffe des fehlgeleiteten Immunsystems gegen körpereigenes Gewebe, Autoimmunerkrankungen auch genannt.
Dazu gehören beispielsweise die rheumatoide Arthritis, der Lupus erythematodes, die membranöse Glomerulonephritis (eine Autoimmunerkrankung welche die Nieren befällt) usw..
Wie wirkt Eculizumab?
Eculizumab greift in den (hier unerwünschten) Entzündungsprozess ein, und zwar durch Hemmung eines Bausteins der Komplement- Kaskade, C5, indem es sich an ihn bindet und damit den Weiterlauf der Kaskade und damit die Entstehung oder Unterhaltung einer Entzündungsreaktion verhindert.
Diese Kaskade ist aber nur bei Autoimmunerkrankungen ein unerwünschter Weg, er spielt nämlich bei der normalen Infektionsabwehr (Immunabwehr) eine sehr wichtige Rolle. Es ist deshalb auch nicht überraschend, dass der Einsatz dieses Medikaments die Infektionsgefahr erhöht, und bei bestimmten Infektionen erst gar nicht zum Einsatz kommen sollte, wie zum Beispiel bei der bakteriellen Hirnhautentzündung (Meningitis).
Glatter Reinfall und überraschende Wirkung
Das Medikament war jedoch für den geplanten Einsatz bei rheumatischen Erkrankungen ein glatter Reinfall.
Aber: Eculizumab sollte sich überraschender Weise als sehr wirksam bei der seltenen paroxysmalen (anfallsweisen) nächtlichen Hämoglobinurie (PNH) erweisen. Eine Erkrankung, bei der den roten Blutkörperchen eine Schutzschicht fehlt, die deshalb dem körpereigenen Komplement schutzlos ausgeliefert sind und zerstört werden. Hinzu kommen vermehrt Thrombosen.
Patienten, die an PNH leiden, sind chronisch transfusionsbedürftig, mit all den negativen Folgen, insbesondere der Eisenüberladung des Körpers. Durch die Blockierung der Komplementkaskade mit Eculizumab wird die Zerstörung der roten Blutkörperchen signifikant reduziert.
Eine Riesenüberraschung, allerdings wegen der Seltenheit der Erkrankung kein lukratives Geschäft, deshalb trieb die Herstellerfirma den Tagespreis auf nunmehr 5827 Euro, wir berichteten darüber.
Auch ein Mittel gegen HUS?
Eculizumab hat sich nun in einigen Fällen von HUS als offenbar spektakulär wirksam erwiesen. Es verhindert bzw. stoppt über die Blockade der Komplementaktivierung offenbar HUS .
Allerdings sind einige Zweifel angebracht: Die Patienten leiden an einer akuten bakteriellen Infektion mit EHEC. Auf diese Infektion dürfte sich Eculizumab keineswegs verbessernd auswirken, denn hier ist die Komplementaktivierung ja gerade erwünscht, da Teil der Infektionsabwehr, wie bereits beschrieben.
Möglicherweise wird dann doch parallel der Einsatz von Antibiotika erforderlich, welcher bei der vorhandenen Multiresistenz des Erregers weitere Probleme bereiten würde.
Es könnte sich herausstellen, dass Eculizumab, statt zu einer dramatischen Verbesserung, letztlich zu einer „Verschlimmbesserung“ führt. Zumal wenn Antibiotika eingesetzt werden müssen, um die Infektion zu beherrschen, was bei einem erfolgreichen Einsatz auch eine massenhafte Zerstörung der E-Coli-Bakterien mit massenhafter Freisetzung von Shiga-Toxin, dem Verursacher von HUS,. zur Folge hätte.
Die nächsten Tage werden zeigen, ob Eculizumab eine wirksame Therapie in diesen verzweifelten Fällen darstellt, was wirklich zu hoffen ist.
E-Mail avpaleske@botsnet.bw
Nachtrag 30.5. 2011
Nach Angaben des "Tagesspiegels" hat das Unternehmen Alexion Pharma angeboten, die Infusionslösung kostenlos zur Verfügung zu stellen.
Quelle:
http://www.aerztezeitung.de/news/article/656764/ehec-erste-erfolge-neuer-hus-therapie.html
Das ist allerdings wohl keine mildtätige Gabe, sondern damit soll sichergestellt werden, dass möglichst viele Patienten mit der Substanz behandelt werden, und dies nicht an finanziellen Erwägungen scheitert.
Bei nachgewiesenem erfolgreichen Einsatz wäre dann eine weitere indikation für dieses Medikament geschaffen.
Dieser Weg ist allemal billiger, als eine (randomisierte) Studie zu finanzieren, was ohnehin schwierig wäre, angesichts der normalerweise geringen Patientenzahlen.
Zu EHEC und Eculizumab
EHEC- Blame-Game oder: Lärmende Schuldzuweisungen ohne durchgreifende Forderungen nach Konsequenzen
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onlinedienst - 28. Mai, 20:57 Article 5734x read
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