Erst Bremen, jetzt Leipzig – Die Antibiotikaresistenz breitet sich aus
Dr. Alexander von Paleske --- 30.5. 2012 ---
Vor vier Tagen wurde in der Presse über einen Ausbruch von Infektionen mit Antibiotika-resistenten Klebsiellen-Keimen in der Universitätsklinik Leipzig berichtet.
Klebsiellen gehören zur Gruppe der Enterobakterien, also Darmbakterien, und kommen in Pflanzen, im Wasser und bei 30% der Bevölkerung vor, in noch höherem Prozentsatz bei Krankenhauspersonal. Neben dem Darm finden sie sich auch in den oberen Atemwegen.
Keineswegs harmlos
Klebsiellen sind keineswegs nur harmlose Darmbewohner, sie sind vielmehr für bestimmte Personengruppen gefürchtete Krankheitserreger, insbesondere für Neugeborene und abwehrgeschwächte Patienten.
Ihr Vorkommen auf Neugeborenen- und Intensivstationen zwingt zur äussersten Hygiene, ggf. zur Schliessung der Station, wenn die Infektionsquelle, wie oft genug, nicht lokalisiert werden kann.
Klebsiellen können selbst bei Gesunden unter bestimmten Umständen eine Lungenentzündung auslösen.
Bei abwehrgeschwächten Patienten kann es ausserdem zu Harnwegsinfektionen, Weichteilinfektionen, und - besonders gefürchtet weil mit einer hohen Sterblichkeit verbunden - zur Sepsis, also Eindringen der Erreger in den Blutstrom kommen.
Der Schrecken kehrt zurück
Mit der Einführung der hocheffektiven Breitspektrum-Antibiotika in den 70er und 80er Jahren, genannt seien hier die Cefalosporine der 3. Generation, wie das Cefotaxim oder aber die Carbapeneme wie das Imipenem, verloren auch die Klebsiellen und viele andere Keime als Krankheitserrger teilweise ihren Schrecken.
Nun aber kehrt der Schrecken zurück: mittlerweile sind Stämme aufgetaucht, die entweder den Beta-Laktamring der bisher Betalaktamase-festen Antibiotika aufknacken (Extended Spectrum Betalactamasen (ESBL), oder aber Carbapenemasen, wie jetzt in Leipzig, welche die Carbapeneme wirkungslos machen.
Hinzugetreten ist die erstmals in Indien festgestellte, von Bakterien erzeugte New Delhi Metallo-Betalaktamase (NDM-1), welche fast alle vorhandenen Breitspektrum-Antibiotika wirkungslos macht.
Antibiotika ......bald wirkungslose Pillchen?
Grösster Ausbruch bisher
Insgesamt gab es in den letzten zwei Jahren 58 Krankheitsfälle in Leipzig mit dem multiresistenten Klebsiellen-Keim KPC (Klebsiella Pneumoniae Carbapenemasen) . Die betroffene Klinik spricht nun vom bundesweit bisher grössten Ausbruch mit diesen multiresistenten Klebsiellen . Und diese Schreckensmeldung ist nicht die erste: die Neugeborenen- Station in einer Bremer Klinik sorgte wochenlang für Schlagzeilen. Dort starben mehrere Frühgeborene ebenfalls an (ESBL-) multiresistenten Klebsiellen. Die Station musste schliesslich geschlossen werden.
Kein Unglücksfall sondern Verantwortungslosigkeit
Es sind nicht irgendwelche unglückliche Entwicklungen, welche drohen, die Errungenschaften der modernen Medizin im Bereich der Infektionsbekämpfung zunichte zu machen.
Es ist vielmehr zu einem erheblichen Teil der verantwortungslose Einsatz der lebensrettenden Antiinfektiva in Krankenhaus und Praxis.
So sind 50% der verschriebenen Antibiotika in der Humanmedizin nicht indiziert, also überflüssig. Das zeigt sich, wenn man den z.B. den Verbrauch in Australien in Relation zu einem Land setzt, in dem die Menschen trotz halb so großem Verbrauchs auch nicht kürzer leben: In den Niederlanden.
Ebenso, wenn nicht noch mehr, trägt die Massentierhaltung zur Resistenzentwicklung bei, denn diese ist ohne den ständigen und massenhaften Einsatz von Antibiotika nicht durchführbar, wir berichteten mehrfach darüber.
Drastische Konsequenzen nötig
Meldungen, wie die aus Bremen und jetzt Leipzig, sollten alsbald drastische Konsequenzen nach sich ziehen, weil bei der Bekämpfung der Resistenzentwicklung Eile geboten ist.
Zwar gibt es seit Juni 2011 ein neues Hygienegesetz, aber das ist in vielen Kliniken noch gar nicht umgesetzt.
In Sachen Massentierhaltung will die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz,. Ilse Aigner, sowohl den Tierschutz verbessern, als auch den Antibiotikaverbrauch in der Massentierhaltung etwas einschränken.
Aber hier gilt das Entweder-oder-Prinzip: Massentierhaltung geht nicht ohne den massenhaften Einsatz von Antibiotika. Das haben schon die bisherigen Regelungen gezeigt: seit 2006 ist der prophylaktische Einsatz von Antibiotika , damit zur Tiermast, nicht mehr zulässig ist. Gleichwohl ist der Antibiotikaverbrauch weiter deutlich angestiegen, weil es kein Tier ohne Antibiotika bis zum Schlachttag schafft.
Massentierhaltung ...entweder oder .....
Besonders ärgerlich: Die Schreckensmeldungen aus Leipzig wurden offenbar verharmlost:
So äusserte sich ein Klaus Dieter Zastrow von der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene zum Ausbruch in Leipzig so:
"Für sich genommen sind solche multiresistenten Keime nicht gefährlich. Die Gefahr bestehe vielmehr darin, dass es oft sehr lange dauere, bis ein wirksames Antibiotikum gefunden wurde"
Tatsache ist aber, dass es KPC- Keime und andere multiresistente Klebsiellen, die bereits in 3-5% der Bevölkerung nachgewiesen werden können, vor einigen Jahren noch gar nicht vorhanden waren, wobei die Resistenz das Ergebnis einer Spontanmutation ist, die sich durch einen Selektionsvorteil dank umfangreichen Antibiotikaeinsatzes dann rasch weiter ausbreiten kann, gefördert durch Infoaustausch zwischen Bakterienstämmen .
Keine wirksameren Antibiotika in Sicht
Neuere Antibiotika mit besserer Wirksamkeit gegen diese Problemkeime sind nicht in Sicht, zumal das Interesse der Pharmafirmen, neue innovative Antibiotika zu erforschen und zu produzieren, eher gegen Null tendiert, weil sich damit nicht genügend Gewinne erzielen lassen.
Stichwort: Nur kurzdauernder Einsatz beim jeweiligen Patienten. Stattdessen gehen Milliardenbeträge in die Erforschung neuer Arzneien zur Behandlung von chronischen Krankheiten, wo also Patienten dauernd, oder zumindest eine längere Zeit, Medikamente einnehmen müssen (Diabetes, Krebs, Herzerkrankungen, Hochdruck, Rheuma etc.).
Zur Resistezentwicklung
Die Zukunft heisst Resistenz? – Antiinfektiva verlieren ihre Wirksamkeit
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Tuberkulose und die Krise bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO): Kein Nachlassen der Schreckensmeldungen
Zwei Schreckensmeldungen zur Antibiotika-Verfütterung in der Massentierhaltung
Frühchentod und Antibiotikaresistenz
Antibiotikaresistenz: Nach Pest, Tripper, MRSA, NDM-1, TB, Campylobacter nun die Salmonellen
Bleibt die Gonorrhoe (Tripper) behandelbar?
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Pest-Seuche und Antibiotika-Resistenz
Antibiotika oder Massentierhaltung?
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Tierfabriken, Schweineviren und die Zukunft
Bittere Pillen für die Dritte Welt
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Klebsiellen gehören zur Gruppe der Enterobakterien, also Darmbakterien, und kommen in Pflanzen, im Wasser und bei 30% der Bevölkerung vor, in noch höherem Prozentsatz bei Krankenhauspersonal. Neben dem Darm finden sie sich auch in den oberen Atemwegen.
Keineswegs harmlos
Klebsiellen sind keineswegs nur harmlose Darmbewohner, sie sind vielmehr für bestimmte Personengruppen gefürchtete Krankheitserreger, insbesondere für Neugeborene und abwehrgeschwächte Patienten.
Ihr Vorkommen auf Neugeborenen- und Intensivstationen zwingt zur äussersten Hygiene, ggf. zur Schliessung der Station, wenn die Infektionsquelle, wie oft genug, nicht lokalisiert werden kann.
Klebsiellen können selbst bei Gesunden unter bestimmten Umständen eine Lungenentzündung auslösen.
Bei abwehrgeschwächten Patienten kann es ausserdem zu Harnwegsinfektionen, Weichteilinfektionen, und - besonders gefürchtet weil mit einer hohen Sterblichkeit verbunden - zur Sepsis, also Eindringen der Erreger in den Blutstrom kommen.
Der Schrecken kehrt zurück
Mit der Einführung der hocheffektiven Breitspektrum-Antibiotika in den 70er und 80er Jahren, genannt seien hier die Cefalosporine der 3. Generation, wie das Cefotaxim oder aber die Carbapeneme wie das Imipenem, verloren auch die Klebsiellen und viele andere Keime als Krankheitserrger teilweise ihren Schrecken.
Nun aber kehrt der Schrecken zurück: mittlerweile sind Stämme aufgetaucht, die entweder den Beta-Laktamring der bisher Betalaktamase-festen Antibiotika aufknacken (Extended Spectrum Betalactamasen (ESBL), oder aber Carbapenemasen, wie jetzt in Leipzig, welche die Carbapeneme wirkungslos machen.
Hinzugetreten ist die erstmals in Indien festgestellte, von Bakterien erzeugte New Delhi Metallo-Betalaktamase (NDM-1), welche fast alle vorhandenen Breitspektrum-Antibiotika wirkungslos macht.
Antibiotika ......bald wirkungslose Pillchen?
Grösster Ausbruch bisher
Insgesamt gab es in den letzten zwei Jahren 58 Krankheitsfälle in Leipzig mit dem multiresistenten Klebsiellen-Keim KPC (Klebsiella Pneumoniae Carbapenemasen) . Die betroffene Klinik spricht nun vom bundesweit bisher grössten Ausbruch mit diesen multiresistenten Klebsiellen . Und diese Schreckensmeldung ist nicht die erste: die Neugeborenen- Station in einer Bremer Klinik sorgte wochenlang für Schlagzeilen. Dort starben mehrere Frühgeborene ebenfalls an (ESBL-) multiresistenten Klebsiellen. Die Station musste schliesslich geschlossen werden.
Kein Unglücksfall sondern Verantwortungslosigkeit
Es sind nicht irgendwelche unglückliche Entwicklungen, welche drohen, die Errungenschaften der modernen Medizin im Bereich der Infektionsbekämpfung zunichte zu machen.
Es ist vielmehr zu einem erheblichen Teil der verantwortungslose Einsatz der lebensrettenden Antiinfektiva in Krankenhaus und Praxis.
So sind 50% der verschriebenen Antibiotika in der Humanmedizin nicht indiziert, also überflüssig. Das zeigt sich, wenn man den z.B. den Verbrauch in Australien in Relation zu einem Land setzt, in dem die Menschen trotz halb so großem Verbrauchs auch nicht kürzer leben: In den Niederlanden.
Ebenso, wenn nicht noch mehr, trägt die Massentierhaltung zur Resistenzentwicklung bei, denn diese ist ohne den ständigen und massenhaften Einsatz von Antibiotika nicht durchführbar, wir berichteten mehrfach darüber.
Drastische Konsequenzen nötig
Meldungen, wie die aus Bremen und jetzt Leipzig, sollten alsbald drastische Konsequenzen nach sich ziehen, weil bei der Bekämpfung der Resistenzentwicklung Eile geboten ist.
Zwar gibt es seit Juni 2011 ein neues Hygienegesetz, aber das ist in vielen Kliniken noch gar nicht umgesetzt.
In Sachen Massentierhaltung will die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz,. Ilse Aigner, sowohl den Tierschutz verbessern, als auch den Antibiotikaverbrauch in der Massentierhaltung etwas einschränken.
Aber hier gilt das Entweder-oder-Prinzip: Massentierhaltung geht nicht ohne den massenhaften Einsatz von Antibiotika. Das haben schon die bisherigen Regelungen gezeigt: seit 2006 ist der prophylaktische Einsatz von Antibiotika , damit zur Tiermast, nicht mehr zulässig ist. Gleichwohl ist der Antibiotikaverbrauch weiter deutlich angestiegen, weil es kein Tier ohne Antibiotika bis zum Schlachttag schafft.
Massentierhaltung ...entweder oder .....
Besonders ärgerlich: Die Schreckensmeldungen aus Leipzig wurden offenbar verharmlost:
So äusserte sich ein Klaus Dieter Zastrow von der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene zum Ausbruch in Leipzig so:
"Für sich genommen sind solche multiresistenten Keime nicht gefährlich. Die Gefahr bestehe vielmehr darin, dass es oft sehr lange dauere, bis ein wirksames Antibiotikum gefunden wurde"
Tatsache ist aber, dass es KPC- Keime und andere multiresistente Klebsiellen, die bereits in 3-5% der Bevölkerung nachgewiesen werden können, vor einigen Jahren noch gar nicht vorhanden waren, wobei die Resistenz das Ergebnis einer Spontanmutation ist, die sich durch einen Selektionsvorteil dank umfangreichen Antibiotikaeinsatzes dann rasch weiter ausbreiten kann, gefördert durch Infoaustausch zwischen Bakterienstämmen .
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Neuere Antibiotika mit besserer Wirksamkeit gegen diese Problemkeime sind nicht in Sicht, zumal das Interesse der Pharmafirmen, neue innovative Antibiotika zu erforschen und zu produzieren, eher gegen Null tendiert, weil sich damit nicht genügend Gewinne erzielen lassen.
Stichwort: Nur kurzdauernder Einsatz beim jeweiligen Patienten. Stattdessen gehen Milliardenbeträge in die Erforschung neuer Arzneien zur Behandlung von chronischen Krankheiten, wo also Patienten dauernd, oder zumindest eine längere Zeit, Medikamente einnehmen müssen (Diabetes, Krebs, Herzerkrankungen, Hochdruck, Rheuma etc.).
Zur Resistezentwicklung
Die Zukunft heisst Resistenz? – Antiinfektiva verlieren ihre Wirksamkeit
Eine besiegt geglaubte Krankheit droht wieder zur unkontrollierbaren Seuche zu werden
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Frühchentod und Antibiotikaresistenz
Antibiotikaresistenz: Nach Pest, Tripper, MRSA, NDM-1, TB, Campylobacter nun die Salmonellen
Bleibt die Gonorrhoe (Tripper) behandelbar?
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WHO, Weltgesundheitstag und Antibiotikaresistenz - eine Nachbemerkung
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onlinedienst - 30. Mai, 20:17 Article 6984x read