Tuberkulose und die Krise bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO): Kein Nachlassen der Schreckensmeldungen
Dr. Alexander von Paleske --- 23.2. 2012 ----
Fangen wir mit der Tuberkulose an, eine einst dank hochpotenter Medikamente besiegt geglaubte Seuche die weltweit wieder auf dem Vormarsch ist.
Schreckensmeldung aus Indien
Die neueste Schreckensmeldung kommt aus Indien.
Forscher in Mumbai haben bei 10 Patienten Tuberkelbakterien gefunden, die total resistent sind gegen sämtliche Tuberkulose bekämpfende Medikamente.
Einer der indischen Patienten hatte sich nachweislich bei einem anderen Patienten mit dieser resistenten Variante angesteckt. Bei den anderen ist unklar, ob sich die Resistenz aufgrund unzureichender oder vom Patienten abgebrochener Behandlung entwickelt hat.
Bereits in Italien und im Iran wurden in den vergangenen Jahren einzelne Fälle von total resistenter Tuberkulose (TDR-TB) nachgewiesen. Es handelte sich aber bisher um Einzelfälle.
Nach den bisher gemachten Erfahrungen ist davon auszugehen, dass diese Resistenz alsbald auch in anderen Ländern auftreten wird - auch in Deutschland.
Während vor 15 Jahren die medikamentenresistente Tuberkulose so gut wie keine Rolle spielte, gibt es mittlerweile die Multidrug-resistant Tuberkulose (MDR), die gegen zwei der Erstlinienmedikamente resistent ist.
Die MDR-TB ist ständig in Ausbreitung begriffen. Weltweit sind es bereits 3% aller pro Jahr neudiagnostizierten 9 Millionen TB-Fälle. Die Behandlungskosten liegen pro Patient und Jahr bei 1200 US Dollar.
Parallel dazu breitet sich die extensiv resistente Tuberkulose (XDR-TB) ebenfalls aus, die im Gegensatz zur MDR auch eine zusätzliche Resistenz zu zwei der Zweitlinienmedikamente zeigt und mit einer hohen Letalität behaftet ist.
Abgesehen von den Behandlungskosten, die bei rund 7000 US Dollar pro Patient und Jahr liegen – unbezahlbar für Länder der Dritten Welt, die am stärksten von der Tuberkulose heimgesucht werden.
Nun TDR-TB
Und nun eben die TDR-TB, die medikamentös nicht behandelbar ist.
Parallel dazu stellen sich mit immer grösserer Dringlichkeit die bisher ungelösten Fragen nach Isolierung derartiger, oftmals hochinfektiöser Patienten.
WHO kämpft mit eigenen Problemen
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die an vorderster Front im Kampf gegen diese und andere Erkrankungen stehen sollte, kämpft zur Zeit vorwiegend mit eigenen Problemen.
In einem Brief der britischen Entwicklungshilfeorganisation OXFAM im Januar 2012 an die internationale Medizinzeitung LANCET wird nun Alarm geschlagen.
Neben den Querelen zwischen Seilschaften, die wir bereits erwähnt hatten, muss die WHO:
- Strukturveränderungen vornehmen, die durch Budgetkürzungen in Höhe von 300 Millionen US Dollar erzwungen werden. Budgetkürzungen, die aus geringeren Mitgliederbeiträgen und einem Anstieg des Schweizer Franken gegenüber dem US Dollar resultieren (Die Zentrale der WHO befindet sich in Genf)
- einen Exodus von qualifizierten Mitarbeitern verkraften, die aus finanziellen Gründen nicht ersetzt werden können
- Budgetlöcher durch Mittelabzug aus anderen Projekten stopfen
Dadurch wird das Funktionieren der WHO in einer Reihe von Bereichen völlig in Frage gestellt.
Wir hatten bereits scharf kritisiert, dass die WHO sich völlig unfähig zeigte, auf das Problem gefälschter und damit gefährlicher Arzneien, die weltweit bereits 15% aller vertriebenen Medikamenten ausmachen, wirksam zu reagieren.
Und dies angesichts immer neuer Probleme, insbesondere des Neuauftretens von Krankheiten oder schwere Verlaufsformen bekannter Erkrankungen:
Genannt seinen
- Der chronische Botulismus
- Die aggressivere Verlaufsform der EHEC, zuletzt vergangene Woche in Hamburg beobachtet (Hämolytisch urämisches Syndrom)
- Das SFT-Syndrom (Severe fever with thrombocytopenia), ausgelöst durch ein Bunyavirus
Vor allem aber die durch Massentierhaltung massiv geförderte allgemeine Antibiotikaresistenz, auf welche die WHO bisher völlig unzureichend reagiert hat.
Globale Anstrengungen sind erforderlich, um adäquate Antworten für neue Herausforderungen im Gesundheitsbereich zu finden.
Stattdessen sehen wir Mittelkürzungen und enorme Probleme bei der WHO.
Weltgesundheitsorganisation (WHO) – ein teurer, bisher zahnloser Tiger im Kampf gegen gefälschte Medikamente
Medikamente ohne Wirkstoffe – ein hochlukratives Geschäft mit tödlichen Folgen
Die Zukunft heisst Resistenz? – Antiinfektiva verlieren ihre Wirksamkeit
Zwei Schreckensmeldungen zur Antibiotika-Verfütterung in der Massentierhaltung
Frühchentod und Antibiotikaresistenz
Antibiotikaresistenz: Nach Pest, Tripper, MRSA, NDM-1, TB, Campylobacter nun die Salmonellen
Bleibt die Gonorrhoe (Tripper) behandelbar?
Antibiotika-Resistenz: Spätes Erwachen. Oder: Minister Bahrs Wort zum Sonntag
WHO, Weltgesundheitstag und Antibiotikaresistenz - eine Nachbemerkung
Pest-Seuche und Antibiotika-Resistenz
Eine besiegt geglaubte Krankheit droht wieder zur unkontrollierbaren Seuche zu werden
Antibiotika oder Massentierhaltung?
Der Dioxin-Skandal flaut ab, die Probleme der Massentierhaltung bleiben
Hilflos bei Infektionen - Antibiotika verlieren ihre Wirksamkeit
Tierfabriken, Schweineviren und die Zukunft
Bittere Pillen für die Dritte Welt
Welt-Tuberkulose Tag - eine Krankheit weiter auf dem Vormarsch</
Wissenschaftliche Veröffentlichungen des Verfassers zur Tuberkulose
Lymph node aspirates in Tuberculosis-Diagnosis: New challenges, new solutions – a study of 156 patients
Diagnosis of disseminated Tuberculosis in bone marrow aspirates
Fangen wir mit der Tuberkulose an, eine einst dank hochpotenter Medikamente besiegt geglaubte Seuche die weltweit wieder auf dem Vormarsch ist.
Schreckensmeldung aus Indien
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Forscher in Mumbai haben bei 10 Patienten Tuberkelbakterien gefunden, die total resistent sind gegen sämtliche Tuberkulose bekämpfende Medikamente.
Einer der indischen Patienten hatte sich nachweislich bei einem anderen Patienten mit dieser resistenten Variante angesteckt. Bei den anderen ist unklar, ob sich die Resistenz aufgrund unzureichender oder vom Patienten abgebrochener Behandlung entwickelt hat.
Bereits in Italien und im Iran wurden in den vergangenen Jahren einzelne Fälle von total resistenter Tuberkulose (TDR-TB) nachgewiesen. Es handelte sich aber bisher um Einzelfälle.
Nach den bisher gemachten Erfahrungen ist davon auszugehen, dass diese Resistenz alsbald auch in anderen Ländern auftreten wird - auch in Deutschland.
Während vor 15 Jahren die medikamentenresistente Tuberkulose so gut wie keine Rolle spielte, gibt es mittlerweile die Multidrug-resistant Tuberkulose (MDR), die gegen zwei der Erstlinienmedikamente resistent ist.
Die MDR-TB ist ständig in Ausbreitung begriffen. Weltweit sind es bereits 3% aller pro Jahr neudiagnostizierten 9 Millionen TB-Fälle. Die Behandlungskosten liegen pro Patient und Jahr bei 1200 US Dollar.
Parallel dazu breitet sich die extensiv resistente Tuberkulose (XDR-TB) ebenfalls aus, die im Gegensatz zur MDR auch eine zusätzliche Resistenz zu zwei der Zweitlinienmedikamente zeigt und mit einer hohen Letalität behaftet ist.
Abgesehen von den Behandlungskosten, die bei rund 7000 US Dollar pro Patient und Jahr liegen – unbezahlbar für Länder der Dritten Welt, die am stärksten von der Tuberkulose heimgesucht werden.
Nun TDR-TB
Und nun eben die TDR-TB, die medikamentös nicht behandelbar ist.
Parallel dazu stellen sich mit immer grösserer Dringlichkeit die bisher ungelösten Fragen nach Isolierung derartiger, oftmals hochinfektiöser Patienten.
WHO kämpft mit eigenen Problemen
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die an vorderster Front im Kampf gegen diese und andere Erkrankungen stehen sollte, kämpft zur Zeit vorwiegend mit eigenen Problemen.
In einem Brief der britischen Entwicklungshilfeorganisation OXFAM im Januar 2012 an die internationale Medizinzeitung LANCET wird nun Alarm geschlagen.
Neben den Querelen zwischen Seilschaften, die wir bereits erwähnt hatten, muss die WHO:
- Strukturveränderungen vornehmen, die durch Budgetkürzungen in Höhe von 300 Millionen US Dollar erzwungen werden. Budgetkürzungen, die aus geringeren Mitgliederbeiträgen und einem Anstieg des Schweizer Franken gegenüber dem US Dollar resultieren (Die Zentrale der WHO befindet sich in Genf)
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- Budgetlöcher durch Mittelabzug aus anderen Projekten stopfen
Dadurch wird das Funktionieren der WHO in einer Reihe von Bereichen völlig in Frage gestellt.
Wir hatten bereits scharf kritisiert, dass die WHO sich völlig unfähig zeigte, auf das Problem gefälschter und damit gefährlicher Arzneien, die weltweit bereits 15% aller vertriebenen Medikamenten ausmachen, wirksam zu reagieren.
Und dies angesichts immer neuer Probleme, insbesondere des Neuauftretens von Krankheiten oder schwere Verlaufsformen bekannter Erkrankungen:
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- Die aggressivere Verlaufsform der EHEC, zuletzt vergangene Woche in Hamburg beobachtet (Hämolytisch urämisches Syndrom)
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Vor allem aber die durch Massentierhaltung massiv geförderte allgemeine Antibiotikaresistenz, auf welche die WHO bisher völlig unzureichend reagiert hat.
Globale Anstrengungen sind erforderlich, um adäquate Antworten für neue Herausforderungen im Gesundheitsbereich zu finden.
Stattdessen sehen wir Mittelkürzungen und enorme Probleme bei der WHO.
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onlinedienst - 23. Feb, 06:27 Article 8171x read