Verfrühter Jubel nach der Tötung Osama bin Ladens

Dr. Alexander von Paleske --- 2.5. 2011 --- Die Tötung Osama bin Ladens in Pakistan durch ein Kommando der US-Streitkräfte aus Afghanistan hat in weiten Teilen der westlichen Welt Jubel ausgelöst, frei nach dem Motto: „Endlich haben sie ihn erwischt“.

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Osama bin Laden - Screenshot Dr. v. Paleske

Was dabei übersehen wird, daß ein Monster wie bin Laden nur entstehen konnte, weil er es schaffte, den Zorn und die Empörung von Moslems in der Welt zu bündeln, die sich aus Armut, Unterdrückung und Demütigung nährten, und ihnen einen Hauptschuldigen servieren: Die USA und Israel.

Nährboden für Al Qaeda
Es gibt kaum einen Staat, dessen Bevölkerungsmehrheit Muslims sind, der als demokratisch bezeichnet werden kann.
In all diesen Ländern herrscht ein erhebliches Maß an Unterdrückung, haben Despoten das Sagen, mal mehr, wie auf der arabischen Halbinsel, mal weniger, wie in Indonesien.

In den meisten Ländern, von Saudi-Arabien und den Golfstaaten einmal abgesehen, herrscht dort auch Armut, oftmals verbunden mit schamloser Bereicherung der Regierungsclique.

Und es gibt den Palästinakonflikt, wo Moslems Tag für Tag, Monat für Monat, und Jahr für Jahr gedemütigt werden, ihnen Land weggenommen wird, und alles verbunden mit gewaltsamen Übergriffen auf Nachbarländer, wie zuletzt in den Libanonkriegen 1982 und 2006.

Hinzu kommen der Kaschmirkonflikt zwischen Pakistan und Indien und der Konflikt in Tschetschenien.

Nicht zu vergessen: Der Einmarsch in den Irak im Jahre 2003 unter Vorwänden und mit Lügen gespickt, sowie der Afghanistankrieg.
Afghanistan, dessen Bevölkerung nicht nur unter dem Krieg enorm leidet, sondern an deren sozialer Lage sich so gut wie nichts in den letzten 10 Jahren geändert hat, und wo die ISAF mittlerweile als Besatzungstruppe angesehen wird, wir haben mehrfach darauf hingewiesen.

Im Palästinakonflikt, im Irak und in Afghanistan sind die USA zwanglos als Gegner auszumachen, da sie die aggressive Politik Israels zumindest toleriert, wenn nicht gar, wie Bush, aktiv unterstützt haben und mit eigenen Truppen in den Irak und Afghanistan einmarschiert waren .

Konflikte bestehen fort
Diese Konflikte bestehen allesamt weiter, und damit wäre die Basis für das Fortleben von Al Qaeda – nunmehr ohne Osama bin Laden – gesichert. Der Jubel über seinen Tod wird daher wohl nichtallzu lange anhalten.

Diese Auffassung vertritt auch einer der wohl besten Al Qaeda-Kenner, Peter L. Bergen, der seine Erfahrungen in einem Buch zusammengefasst hat, das Anfang des Jahres erschienen ist:

The longest War – The enduring conflict between America and al Qaeda“


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Er schreibt (aao S. 348):

It may take years, but it’s likely, bin Laden, who turns 54 almost a decade after 9/11 will eventually be apprehended or killed..


Welche Auswirkungen würde das haben, fragt der Autor, und fährt dann fort:

In the short term bin Laden’s death would likely trigger violent attacks around the globe, while in medium term term his death would be a serious blow to al Qaeda the formal organization, since bin Laden’s charisma played a critical role in the success of his group
In the longer term bin Laden’s “martyrdom” would likely give a boost to the power of his ideas.


Und er warnt:

Make no mistake, this will not end the war of the terrorists. Bin Laden’s ideas have circulated widely and will continue to attract adherents for years to come. Arresting (or killing) is a generally relatively simple matter. Arresting ideas is entirely another thing.

Anders ausgedrückt: Soweit die Konflikte weiter existieren, wird der Terrorismus weiter Anhänger finden.

Nicht vorhergesehen
Was aber Peter Bergen nicht vorhergesehen hat - und nicht nur er - ist der Aufstand in der arabischen Welt gegen die Unterdrückung.

Damit hat sich eine moderne und attraktive Alternative zu bin Ladens mittelalterlicher Kalifenstaatsidee im Kampf gegen Unterdrückung Bahn gebrochen, die Al Qaida zunächst einmal sprachlos gemacht hatte.

Diese Idee hat, anders als bin Ladens gewalttätige und extrem brutale Ideologie sie je hatte, eine Massenbasis und teilweise beachtlichen Erfolg.

Diese Massenbewegung will nichts vom Kalifenstaat und moslemischen Großreich wissen, sondern ihr eigenes nationales Haus in demokratische Ordnung bringen, sieht die Verantwortlichkeit für die Zustände bei der regierenden Clique, und nicht als „ Weltverschwörung der Kreuzritter“ .

Durch diese Massen-Partizipation entfällt die Basis für den Fundamentalismus.

Anders: Nur dort, wo diese Bewegung nicht erfolgreich ist, und die Unterdrückung fortbesteht, kann Al Qaeda mit den kruden Vorstellungen auf eine (begrenzte) aber hochgefährliche Anhängerschaft hoffen.

Und so waren Osama bin Laden und Al Qaeda bereits in Nordafrika ideologisch auf den Abfallhaufen der Geschichte geworfen worden, bevor er heute getötet wurde.

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onlinedienst - 2. Mai, 18:21 Article 6123x read
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Qman (Gast) - 2. Mai, 19:44

Freude?

Sehr geehrter Herr Dr. v. Paleseke,

vielen Dank für Ihren Artikel. Sicherlich freut sich die Welt zu früh über das Ableben dieses abscheulichen Menschen.
Empörend ist jedoch der Umgang damit. Die Bilder von jubelnden Amerikanern waren zu erwarten. Die Aussagen unserer Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel auf der Pressekonferenz vom 2.5.11 (http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2011/05/2011-05-02-merkel-osama-bin-laden.html) sind jedoch ein Skandal und Spiegelbild einer lange nicht mehr gesehenen Verrohung unserer Gesellschaft. Sich über das Ableben eines Menschen (auch wenn er einer der schlimmsten Verbrecher der jüngeren Geschichte war) zu freuen entspricht nicht dem europäischen, christlichen Werteverständniss! Vielmehr hat Frau Dr. Merkel mit Ihren Aussagen gegen das Grundgesetz und die Europäische Verfassung verstossen. Einzige Konsequenz kann nur Ihr Rücktritt sein.
Wir müssen als christliche Gemeinschaft in Europa klare Grenzen gegenüber radikalen Tendenzen in der Welt ziehen. Dies gebietet die Achtung vor den Getöteten der schlimmen Anschläge vom 11. September 2001. Dazu gehört aber auch die Achtung der Würde aller Menschen.
Damit sich Geschichte nicht wiederholt, müssen wir dies nachfolgenden Generationen deutlich machen. Ohne Ausnahmen.

Mit freundlichen Grüßen

Qman

onlinedienst - 4. Mai, 09:08

Zustimmung

Stimme zu.

Dr. v. Paleske
perikles (Gast) - 3. Mai, 12:19

Where are the borders of respect?

thank you for your notes. today i heard about a frontapge: In the background osamas face and in the front, i quote" rott in hell". As a understood its on a big magazine (time magazine...?)

Julian Rosenberger - 8. Mai, 14:25

Die Moslems killen weiter

Und wir, was machen wir? Wir weinen um das arme Opferkind Osama.
Gestern haben die Moslems wieder bestialisch 8 Kopten in Kairo ermordet.
Werden die Mörder vor ein Gericht gestellt?
Oder geht uns DAS nichts an?

onlinedienst - 8. Mai, 16:18

Weinen um bin Laden?

Wenn es etwas zu beweinen gibt, dann ist es der massive Verstoss gegen Rechtsstaatsprinzipien. Jeder, ich wiederhole: jeder angebliche Verbrecher -auch Massenmörder - haben einen im Rechtsstaat verbrieften Anspruch auf ein faires Gerichtsverfahren. Die Tötung eines Verbrechers vor einem solchen Verfahren ist nur im Falle der Notwehr zulässig.
Osama bin Laden hatte keine Waffe in der Hand. Ein Fall der Notwehr liegt eindeutig nicht vor. Eine Verhaftung war offenbar auch gar nicht geplant.

Dr. v. Paleske
Empfehlung: Trafficking.ch / Menschenhandel in der Schweiz

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